Beitrag vom 20. Mai 2023
Was es jetzt braucht für eine sozial- und ökologisch gerechte Umsetzung der Wärmewende
Wohnen wird für immer mehr Menschen unbezahlbar. Ein Grund dafür sind neben den explodierenden Mieten die steigenden Energiekosten für fossile Brennstoffe. Gleichzeitig ist der Wärme- und Gebäudebereich eine der größten Baustellen beim Klimaschutz in Deutschland und für fast 30 Prozent der Treibhausgase in Deutschland verantwortlich. Der Gebäudesektor hat bislang – wie der Verkehrssektor – nichts zum Erreichen der Klimaziele beigetragen. Deshalb ist das Vorhaben der Bundesregierung grundsätzlich richtig, ab 2024 keine neuen Öl- und Gasheizungen mehr einzubauen. Dass die Ampel-Regierung diesen Weg vorschlägt, ohne die Finanzierung, soziale Abfederung und Umsetzung zu benennen, kostet unnötig Akzeptanz und wälzt die Verantwortung für die Umsetzung auf die Bürger*innen ab. Das macht vielen Menschen gerade Angst: Wie soll ich den Umbau bezahlen? Was ist für mich die beste Lösung? Was passiert, wenn meine Gastherme kaputt geht? Diese Sorgen sind berechtigt und müssen ernst genommen werden. Denn die Wärmewende ist eins der wichtigsten Projekte im Kampf gegen die Klimakrise und erfordert eine gesellschaftliche Kraftanstrengung, damit die Last nicht auf den Schultern der Bürger*innen liegen bleibt.
Wir fordern deshalb ein radikales Umsteuern: Wir brauchen kommunale Wärmeplanung und Sanierungsbeauftragte, um großflächige Beratungsangebote für Bürger*innen zu schaffen und Quartierslösungen zu erarbeiten. Für Mieter*innen und Nutzer*innen kleiner Eigenheime mit geringen und mittleren Einkommen dürfen im geplanten Umbauprozess keine Zusatzkosten anfallen. Diese müssen mit gezielten Förderungen und Maßnahmen unterstützt werden. Das betrifft am stärksten Bezieher*innen von Transferleistungen sowie Rentner*innen. Wenn die Wärmewende zudem mit gut gestalteten Ausbildungsprogrammen einhergeht, wird sie zum Jobmotor. Für die Umsetzung einer sozial gerechten Wärmewende fordern wir folgende Maßnahmen:
1. Mieter*innen schützen, Modernisierungsumlage abschaffen!
60 Prozent der Haushalte wohnen zur Miete. Sie sind schon jetzt von rasant steigenden Mietpreisen betroffen, bei denen der Haupttreiber die Spekulation ist. Doch allzu häufig dienen auch energetische und Luxussanierungen dazu, Mieter*innen zu vertreiben. Der Austausch von Heizungen darf diesen Trend nicht verstärken und muss warmmieten-neutral sein. Das heißt die Kosten von Heizungstausch dürfen nur so weit auf Mieter*innen umgelegt werden, wie diese bei den Energiekosten sparen.
Das Verbot von neuen Öl- und Gasheizungen darf nicht dazu führen, dass Mieter*innen zusätzlich belastet oder gar aus ihren Wohnungen verdrängt werden. Deshalb fordern wir seit Jahren die Abschaffung der Modernisierungsumlage. So können Vermieter*innen die Kosten für energetische Sanierungen nicht mehr auf die Mieter*innen abwälzen. Viel zu häufig nehmen Vermieter*innen Förderungen für energetische Sanierungen oder Heizungstausch in Anspruch und legen dann trotzdem die Kosten auf die Mieter*innen um.
2. Gezielte Förderungen für Eigenheimbesitzer*innen statt für Immobilienkonzerne
Sanierungen und Heizungstausch sowie die Installation von Solarthermie müssen staatlich gefördert werden. Es ist gut, dass die Förderungen von der Bundesregierung auf 14 Milliarden pro Jahr aufgestockt wurden. Diese Förderungen müssen aber viel zielgerichteter eingesetzt werden. Anstatt pauschaler Förderbeträge von 40% der Kosten oder bis zu 24.000 Euro pro Wärmepumpe, fordern wir progressiv wirkende Förderprogramme, die sozial gerecht wirken.
Viele Eigenheimbesitzer*innen können sich den Heizungstausch und die energetische Sanierung nicht leisten - deshalb wollen wir Haushalte mit niedrigen und mittleren Einkommen besonders großzügig unterstützen, sodass die Maßnahmen für sie nicht zur Existenzbedrohung werden. Niemand soll ihr Haus verkaufen müssen, weil sie sich den Heizungstausch und die energetische Sanierung nicht leisten kann. Dafür muss ein großzügig ausgestatteter Härtefallfonds aufgelegt werden, der unbürokratisch zugänglich ist. Statt pauschaler Förderungen fordern wir progressiv wirkende Förderprogramme, die nach Einkommensklassen gestaffelt werden. In der niedrigsten Einkommensklasse wird ein Großteil der Kosten für den Heizungstausch übernommen, in der höchsten Einkommensklasse sinkt die Förderung auf null. Es ist eine gesellschaftliche Aufgabe, dafür zu sorgen, dass sich alle eine klimafreundliche warme Wohnung oder ein warmes Haus leisten können – die Kosten für die Sanierung einer 300qm Villa von Millionären oder der Drittwohnung gehören nicht dazu.
Die notwendigen Fördermittel für energetische Sanierungen dürfen nicht als Profit in den Taschen von Immobilienkonzernen landen. Es darf nicht sein, dass sich Immobilienkonzerne wie Vonovia Förderungen in Millionenhöhe bezahlen lassen und dann Milliarden an Dividenden ausschütten. Die Bundesregierung möchte in diesem Jahr die Wohngemeinnützigkeit wieder einführen. Damit wird ein Rechtsrahmen geschaffen, mit dem Förderungen im Gebäudesektor an soziale und ökologische Bedingungen gekoppelt werden können. Vermieter*innen und Wohnungskonzerne, die sich die Kosten energetischer Sanierungen nicht leisten wollen, können unter den Schirm der Wohngemeinnützigkeit schlüpfen. Wir fordern, dass Wohnungskonzerne Zugang zur vollständigen öffentlichen Förderung der Kosten für Sanierungen und Heizungstausch erhalten, wenn sie sich im Gegenzug auf die gemeinnützige Bewirtschaftung ihrer Wohnungen verpflichten, mit Mietobergrenzen und der Pflicht zur Reinvestition von Gewinnen. In Verbindung mit der Abschaffung der Modernisierungsumlage wirken diese Förderbedingungen wie eine indirekte Mietpreisbremse und führen damit zu Entlastungen für die Mieter*innen. Vermieter*innen wie kommunale Wohnungsunternehmen oder Genossenschaften, die ohnehin gemeinnützig operieren, wollen wir ebenfalls mit großflächigen Förderprogrammen unterstützen.
3. Kommunale Wärmeplanung mit Sanierungsbeauftragten umsetzen
Die Pläne der Bundesregierung wälzen die Verantwortung auf die Vermieter*innen und Eigentümer*innen ab und lassen diese im Kalten sitzen. Wir fordern die Umsetzung von kommunaler Wärmeplanung, mit der vor Ort geschaut wird, welche Lösungen möglich und praktikabel sind. Statt wie jetzt, alle Eigentümer*innen Haus-für-Haus Lösungen erarbeiten zu lassen, braucht es eine aktive staatliche Steuerung von Wärmenetzen, um Lösungen auf Quartiers und Siedlungsebene zu ermöglichen. In Dänemark sind Kommunen seit 1979 dazu verpflichtet Wärmepläne zu erstellen – dadurch gibt es in Dänemark einen viel höheren Anteil an Fernwärmenetzen. Zur Umsetzung kommunaler Wärmeplanung fordern wir Sanierungsbeauftragte in den Kommunen einzusetzen, wie es sie in den 1990er Jahren in Ostdeutschland bereits gab. Diese sollen gemeinsam mit den Bürger*innen Wärmepläne für Nachbarschaften entwickeln, um kollektive Lösungen zu erarbeiten und umzusetzen.
Der Vergleich mit dem eher kälteren Skandinavien zeigt, dass die Wärmewende möglich ist. Laut Europäischem Wärmepumpen Verband (EHPA) heizen in Norwegen 60 Prozent der Haushalte mit einer Wärmepumpe, in Schweden 43 Prozent und Finnland 41 Prozent. Der Einbau von Wärmepumpen ist auch in Deutschland ein wichtiger Baustein, um Öl- und Gasheizungen zu ersetzen. Mit kommunaler Wärmeplanung wollen wir auch andere, kollektive Lösungen fördern. Der Neubau und die Ertüchtigung von Nah- und Fernwärmenetzen und damit verbunden eine zunehmende Abwärmenutzung sind wichtige Bausteine für die Wärmewende. Wärmespeicher können die notwendige Flexibilität schaffen. Wenn eine Neubausiedlung auf der grünen Wiese gebaut wird, kann die Nutzung von Geothermie-Wärmepumpen möglich und kostengünstig sein, derartige Lösungen müssen geprüft werden. Dabei ist klar: Das Framing der Technologieoffenheit ist eine Verschleppungsstrategie der fossilen Industrie.Alle Expert*innen sind sich einig, dass Wasserstoff keine flächendeckende Lösung im Wärmebereich sein kann, da der energetische Wirkungsgrad im Vergleich zu, zum Beispiel Wärmepumpen um ein Vielfaches geringer, und das Heizen dadurch teurer ist.
Die Nah- und Fernwärmenetze, die durch kommunale Wärmeplanung geschaffen werden, wollen wir in öffentliche Hand überführen und, zum Beispiel in Stadtwerken, lokal verwalten. Wenn Quartierslösungen mit mehreren Eigentümer*innen erarbeitet und umgesetzt werden, können Genossenschaften oder andere gemeinwirtschaftliche Eigentumsmodelle sinnvolle Lösungen sein. In Dänemark gibt es ein Gewinnverbot im Wärmebereich – dies fordern wir auch in Deutschland.
4. Fachkräfte bereitstellen
Der Mangel an Handwerker*innen gefährdet die Umsetzung der Wärmewende. Deshalb fordern wir eine Ausbildungsoffensive im Handwerk und Fortbildungsprogramme für Wärmepumpen und andere regenerative Heizsysteme. Gleichzeitig braucht es höhere Löhne und bessere Arbeitsbedingungen im Handwerk, damit diese Jobs auch attraktiv sind, und die Wärmewende zum Jobmotor werden kann. Wir fordern allgemeinverbindliche Tarifverträge für Handwerker*innen, damit bessere Arbeitsbedingungen auch umgesetzt werden können. Auch müssen zusätzliche Sanierungs- und Energieberater*innen ausgebildet werden, die zielgenau unterstützen können, bei welchen Gebäuden welche Maßnahmen notwendig und zielführend sind. Sie sind die Fachkräfte für sozialverträgliche Sanierungen und koordinieren Vorhaben im Rahmen von Quartierslösungen. Für die Aus- und Weiterbildungsprogramme sollte ein Bundesprogramm aufgelegt werden, damit in den nächsten 5 Jahren tausende Fachkräfte ausgebildet werden können.
5. Die Finanzierung der Wärmewende als Verteilungsfrage
Die Wärmewende erfordert massive Investitionen in die soziale Infrastruktur. Um dies zu finanzieren, sind zwei Dinge notwendig: Erstens muss die Schuldenbremse aufgehoben werden, denn die Investitionen im Wärmebereich schaffen die Grundlage für eine sozial- und ökologisch gerechte Wärmeversorgung in den kommenden Jahrzehnten. Daher ist es sinnvoll, die Finanzierung auch auf längere Zeit anzulegen. Es ist sinnbildlich, dass 100 Milliarden Sondervermögen für die Bundeswehr ad hoc ins Leben gerufen werden können, aber bei den notwendigen Investitionen in die öffentliche Daseinsfürsorge gespart wird.
Zweitens: Die Finanzierung der Wärmewende ist eine Verteilungsfrage. Die Wärmewende ist finanzierbar, wenn Reiche und Konzerne endlich gerecht besteuert werden. Seit Jahren fordert DIE LINKE die Wiedereinführung der Vermögensteuer, durch die den Ländern und Kommunen jährliche Einnahmen in Höhe von rund 60 Milliarden Euro pro Jahr zugutekommen könnten. Hinzu kommen Re-Finanzierungseffekte aus dem Jobmotor: Alle Ökonom*innen gehen davon aus, dass öffentliche Investitionen sich ca. 1:1 refinanzieren, weil u.a. zusätzliche Lohnsteuern eingenommen werden. Die Finanzierung könnte auch aus den üppigen Übergewinnen der (fossilen) Energiekonzerne erfolgen. Anstatt die Übergewinnsteuer ab Juni wieder auszusetzen, wie es die Bundesregierung plant, könnte diese verlängert werden, um damit einen direkten Beitrag für die ökologische Transformation zu leisten.
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